OEM-Software zwischen Erschöpfung urheberrechtlichem Verbreitungsrecht und Markenschutz

Der Fall:
OEM-Version
UrhG § 69c Nr. 3 Satz 2, § 17 Abs. 2, § 32
Ein Softwarehersteller kann sein Interesse daran, dass eine zu einem günstigen Preis angebotene Programmversion nur zusammen mit einem neuen PC veräußert wird, nicht in der Weise durchsetzen, dass er von vornherein nur ein auf diesen Vertriebsweg beschränktes Nutzungsrecht einräumt. Ist die Programmversion
durch den Hersteller oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gesetzt worden, ist die Weiterverbreitung aufgrund der eingetretenen Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts ungeachtet einer inhaltlichen Beschränkung des eingeräumten Nutzungsrechts frei.
BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – I ZR 244/97 – Kammergericht LG Berlin

Echtheitszertifikat
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, § 24 Abs. 1 und 2
Bringt ein Wiederverkäufer mit der Marke des Softwareherstellers versehene Sicherungs-CDs eines Computerprogramms in den Verkehr, die er mit Echtheitszertifikaten des Herstellers versehen hat, die zuvor nicht auf den CDs, sondern auf Computern angebracht waren, kann sich der Softwarehersteller dem Vertrieb der Datenträger aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen.
BGH, Urteil vom 06.10.2011 – I ZR 6/10 – OLG Frankfurt am Main

OEM-Software (“Original Equipment Manufacturer”) und SB-Versionen (“System Builder”) werden, neben den Einzelhandelsversionen bzw. durch erteilte Vervielfältigungslizenzen, in der Regel branchenüblich direkt als Vorinstallation auf der Festplatte und/oder auf Datenträgern hergestellt, die als sog. “Recovery” bzw. “Reinstallation”-Disk beigelegt werden. In diesem Fall sind die zu den Produkten zugehörigen Echtheitszertifikate auf der Computerhardware direkt aufgeklebt. Diese Echtheitszertifikate enthalten weitere Sicherheitsmerkmale (u.a. Hologramme), eine Seriennummer und den Markennamen und authorisieren damit den dazugehörenden Originaldatenträger.

Inzwischen hat sich ein breiter Vertriebsmarkt von gebrauchter OEM-Software entwickelt. Insoweit, durch das BGH-Urteil aus dem Jahr 2000, ist der Verkauf gebrauchter Originale unbedenklich. Allerdings wurden zwischenzeitlich gebrauchte Software-Datenträger mit Echtheitszertifikaten versehen, die ursprünglich nicht mit den Originalen in den Verkehr gebracht worden waren. Somit wurde der Eindruck erweckt, dass die
vorgenommene Verbindung des Echtheitszertifikats mit den Sicherungs-Kopien den unzutreffenden Eindruck hervorruft, der Rechteinhaber stehe durch diese Verbindung von Datenträger und Zertifikat für die Echtheit des Produkts ein. Dies verstoße nach dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2011 gegen das Markenschutzgesetz.

Erschwerend kommt hinzu, dass Softwarevertriebe in zunehmendem Maße durch marktüberflutende gefälschte Softwarekopien verunsichert sind. Überwiegend aus China stammen viele der von einem Original kaum zu unterscheidenden Identfälschungen. Jedoch auch der europäische Markt liefert Fälschungen in steigender Tendenz. Für Händler sind Fälschungen kaum oder gar nicht mehr von Originalen zu unterscheiden.

“Die Zahl der gefälschten Produkte, die an den Außengrenzen der Europäischen Union abgefangen wurden, hat sich zwischen 1998 und 2005 verzehnfacht. Nach einer Schätzung der Europäischen Kommission beläuft sich alleine in Deutschland der wirtschaftliche Schaden durch Produktpiraterie und Markenfälschungen auf ca. 30 Milliarden Euro pro Jahr.” (Brigitte Zypris, ehem. BM Justiz, Galleria/Messe Frankfurt 04/2008.)

Bild-/Tonträger (CD, DVD, Blu-ray) können durch bestimmte Identifikationsmerkmale den Herstellern (Presswerken) zugeordnet werden. Oftmals wird dem SID-Code eine zu hohe Bedeutung zugeschrieben. Bei einem Versuch, für die Beweisführung hinsichtlich einer Nutzungsbeschränkung Argumente zu sammeln, werden diese manchmal zweckentfremdet oder falsch interpretiert.

Die Fragestellung:
Die gelieferten Software-CDs und -DVDs sollen nach ihrer Originalität bzw. nach Fälschungen untersucht werden.

Auftraggeber:
Softwarevertrieb; (Privatgutachten)

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